#6 ERSTES MAL MAGGIE, HOSTEL UND SCUBA
- carolinmichalk
- Feb 26, 2024
- 6 min read

21. November 2022. Fast genau einen Monat habe ich in Townsville, Queensland verbracht. Von dort, nur 20 Minuten mit der Faehre, ist Magnetic Island zu erreichen: Ein wunderschoenes Fleckchen Erde mit weiten Strandabschnitten, felsigen Kuesten und Waeldern, einer Handvoll Stadtteilen und einer langen Strasse die von Nord nach Sued, meist am Ufer entlang und ueber die kleinen Berge zwischen den bewohnten Flaechen, alles miteinander verbindet. Die Westkueste ist nur mit 4-Wheel-Drive-Autos oder einer langen Wanderung zu erreichen, doch zum Glueck laesst sich der Sonnenuntergang auch von anderen Orten der von den Locals nur „Maggie“ genannten Insel bewundern.

Meinen Aufenthalt plane ich recht pragmatisch: Ich buche das Hostel, das mir empfohlen wird und melde mich fuer den Open Water Tauchkurs an. Insgesamt eine Woche gebe ich mir fuer mein Vorhaben auf der gut 50 Quadratkilometer grossen Insel, was mehr als doppelt so viele Tage sind wie die meisten die ich treffe oder deren Erfahrungsberichte ich online lese. Doch da ich sowieso Zeit habe und bereits erwarte, dass die 3 Tage, die ich in der Tauchschule und im beziehungsweisse unter Wasser verbringen bin super anstrengend werden, genehmige ich mir etwas mehr Zeit, um auch alles an Land erkunden zu koennen.
Am ersten Tage laufe ich unfassbar viel: Mit meinem viel zu schweren Rucksack komme ich am Hafen an und beschliesse in einem Irrwahn der Motivation den Weg bis zu meinem Hostel zu laufen. Warum? Tja, in der Theorie klingt es nach einer guten Idee: das Wetter ist schoen, ich spaziere am Strand entlang, bin aktiv und spare Geld…Doch nach 20 Minuten und nicht einmal der Haelfte der Strecke muss ich mich im Schatten von der unermuedlich knallenden Sonne erhohlen. Ich sitze am Strand unter einem Baeumchen, mein Backpack als Stuhl und trinke die letzten Schluecke aus meiner extra fuer Australien gekauften, wiederverwendbaren Flasche…doch der Ausblick aufs Meer und der Robinson Crusoe - Vibe machen alles wett.

Das Hostel ist meine erste Erfahrung was diese Art auf Reisen zu Wohnen angeht. Mein Stockbett steht zusammen mit 3 anderen in einer winzigen A-Frame-Huette, die nicht einmal Kleiderhaken, geschweige denn Schraenke oder Schubladen bietet. Ich entscheide mich fuer das untere Bett hinten rechts; die staerksten Argumente sind Steckdosen in Reichweite, ein kleiner Vorsprung in der Holzkonstruktion der Huette den ich als Nachttisch umfunktioniere und die weiteste Entfernung zur Tuer. Die restlichen Betten werden alle nach und nach belegt, doch jede*r bleibt nur ein paar Naechte hier. Mir scheint als sind alle ausschliesslich auf der Durchreise auf ihrem Trip entlang der Ostkueste und haben genaue Plaene wohin sie als naechstes gehen. In einem Bett schlaeft eine extrovertierte Britin, die mich direkt zu einem kleinen Zusammensitzen mit ein paar Leuten aus dem Hostel einlaedt. Mit dem Willen die volle Hostel-Erfahrung zu machen komme ich mit, bleibe aber nichtmal eine Stunde. Ich hoere immer wieder zu viele neue Namen - von Menschen, die mich wenig interessieren und einige sich wiederholende von Staedten, die anscheinend besuchenswert sind… Ich lehne Drinks und einen Partynacht mit der Begruendung morgen frueh raus zu muessen ab. Stattdessen beschliesse ich am fruehen Abend meine Umgebung noch ein bisschen zu erkunden und klettere von meinem Balkon aus ins Gestruepp. Mein Haeusschen ist das allerletzte der Reihe und mein Balkon grenzt an ein Stueck trockene Wiese, die nach ein paar Dutzend Metern einigen Felsbrocken weicht. Ich klettere runter, sitze auf den Steinen und starre ein bisschen ins Meer und auf die andere Seite, ans Festland. Ich bin happy und aufgeregt und gehe fuer Standart-Backpacker-Verhaeltnisse recht frueh schlafen.



Der naechste Tag beginnt wieder mit einem „kleinen“ Marsch: Ich vertraue Busverbindungen an fremden Orten nicht und will an meinem ersten Tag im Dive Center auf keinen Fall zu spaet kommen. Ich plane also 60 Minuten fuer die laut Google Maps 40-Minuten-Strecke ein. Ein kluger Zug, denn von den Hoehenmetern die es auf meinem Fussweg zu bezwingen gilt, hatte ich keine Ahnung! Bei ein paar Paeuschen geniesse ich die Aussicht, die sich zu jedem Zeitpunkt der morgendlichen Reise wunderschoen vor mir erstreck; die Baeume gegen das helle Blau des Himmels und die Wellen die je nach Ausrichtung des Strands mit viel Kraft oder ganz ruhig gegen die Kueste schwemmen. Ich bin froh zu Fuss unterwegs zu sein und so alles ganz ruhig in mir aufnehmen zu koennen.

In der Tauchschule angekommen fuehle ich mich direkt wohl. Es wirkt alles sehr locker und familiaer. Nach dem Papierkram und einer Tasse Chai geht es los: Meine beiden Mitschuelerinnen und ich bekommen von einer 1,55 grossen Franzoesin das Tauch-Equipment erklaert. Die vielen neuen Infos und Begriffe sind etwas erschlagend und ein gewisser Respekt vor der ganzen Sache macht sich in mir breit…Ich bin schon immer ein Wassermann durch und durch, im Ozean oder im Pool zu schwimmen oder zu schnorcheln ist schon seit meiner Kindheit eines der Dinge, bei denen ich am unbeschwertesten bin und den meisten Spass habe. Nun das Unterwasser-Erlebnis auf das naechste Level zu bringen ist ein massiver Schritt und all das technischen Wissen was dafuer notwendig ist beunruhigt mich zunaechst. Ich erinnere mich an die Erfahrungsberichte einer Hostelbekanntschaft gestern: Er erzaehlte vom Tauchen in Thailand ohne Tauchschein. Schon gestern hielt ich ihn fuer verrueckt, zum einen weil ich der festen Ueberzeugung war, das sei bestimmt nicht legal und zum anderen, wie er sich Hals ueber Kopf in solch ein Vorhaben stuerzen konnte, ohne richtig Bescheid zu wissen was eigentlich Phase ist… Fuer mich war klar, ich will alles genau verstehen, fuer meinen Seelenfrieden und die ganz eigene Erfahrung unter Wasser. Denn wie ich nun weiss, werden die nicht zertifizierten Taucher*innen bei den sogenannten „Try Scuba“-Dives quasi wie ein Welpe am Nacken gepackt und vom Instructor ueber das Riff bugsiert, ohne wirklich selber aktiv zu sein. Da ist mir ein bisschen Theorieunterricht und ein klein wenig Ueberforderung am Anfang mit Ausblick auf Unabhaengigkeit doch lieber. Ich versuche also alles so gut wie moeglich aufzunehmen und zu verinnerlichen, stelle viele Fragen um wirklich sicher alles verstanden zu haben. Danach folgt ein Water-Fitness-Test im Pool der Tauchschule: Wir muessen zuerst 15 Minuten Schwimmen, dann 10 Minuten Wasser treten. Alles recht easy, doch dann wird es ernst: Wir bauen unter Anleitung unsere Ausruestung zusammen und begeben uns mit unserem Instructor in den Pool. Der Australier bringt uns mit viel Geduld und Humor Alles von notwendigen Skills ueber hilfreiche Tricks, Notfall-Verfahren und Handzeichen bei. Wir lernen unheimlich viel und es macht wahnsinnig Spass. Was unser Lehrer nicht lernt, sind unsere Namen. Fuer ihn sind wir nur Argentina, Finnland und Germany. Eigentlich ein kluger Zug von Ihm, denn sich Namen zu merken ist wie ich nun selbst weiss manchmal einfach zu viel verlangt... Wir verbringen einige Stunden im Pool, der am tiefen Ende circa 3 Meter misst. Selbst einige Meter unter der Oberflaeche fuehle ich mich sofort richtig gut. Alles faellt mir leicht und macht Sinn. Die ganze Theorie in der Praxis zu sehen und umzusetzen erleichtert mir das Verstaendnis und stimmt mich euphorisch fuer den ersten richtigen Tauchgang im Meer!

Der erste Tag geht zu Ende, und ich bin vollkommen ueberzeugt den richtigen Ort gewaehlt zu haben: das ganze Team ist super lieb, die zwei Besitzer der Tauchschule sind zwei Australier wie sie im Buche stehen. Der Rest, Dive Masters und Instructors oder sich dazu noch in Ausbildung Befindende, ist ein bunter Mix aus jungen Menschen aus aller Welt und es scheint, als haetten sie alle nur 2 Dinge gemeinsam: die Leidenschaft fuer den Ozean und die wundervolle, offene Art die fuer den herzlichen Umgang zwischen allen sorgt. Als ich mich verabschiede und wieder zu Fuss meinen Heimweg antreten will, wird mir eine Mitfahrgelegenheit angeboten. Ich lehne fuer den Moment ab, aber fuer den naechsten Morgen nehme ich das Angebot mehr als dankend an. Zum einen, da es mir den langen Marsch in der fuer die fruehe Stunde viel zu heiss scheinenden Sonne erspart, aber auch weil es gerade der Dive Master mit dem suesseste Laecheln ist, der mich fragt.

Super gluecklich mache ich mich auf den Heimweg. Bevor ich in mein Zimmer gehe mache ich halt am Pool und sitze mit den Beinen im Wasser haengend am Beckenrand. 2 Maedels aus Deutschland sprechen mich an, sie reisen wie viele zu zweit durchs Land. 2 Jungs spielen im Pool mit einem Ball und ich werde unfreiwillig ein paar Mal nass. Nachdem ich verschnauft habe und langsam der Abend hereinbricht, bestelle ich mir wie viele Hostelgaeste im Bar und Restaurantbereich des grossen Gelaendes mein Abendessen. Fuer Veggies ist das Angebot ueberschaubar, doch da ich noch nicht so im Backpacker-Game bin hatte ich voellig ausser Acht gelassen, dass es auch eine Gemeinschaftskueche und ein paar Supermaerkte gibt. Bis meine Bestellung meinen Tisch erreicht dauert es ewig, was mich Teil der Gruppe bleiben laesst, die aus mir, meiner britischen Zimmergenossin und anderen Mitte Zwanzigern besteht. Ich habe wieder zig Mal den genau gleichen Smalltalk mit den immer selben Fragen, was sich quasi als Backpacker-Interview beschreiben laesst: Name, Alter, Herkunftsland, vergangene Reisen, aktueller Plan, naechste Station. Irgendwie interessant aber auch irgendwie so langweilig und nichtssagend. Ohne Substanz, ohne Tiefe, ohne wirkliche Connection.
Ich bin froh als meine Pizza endlich kommt, doch zu diesem Zeitpunkt habe ich mich schon zu den Abendplaenen der Gruppe ueberreden lassen: Es finden die Bar-Wars statt; eine Reihe an Partyspielen mit zu gewinnenden Preisen in fluessiger Form. Es macht entgegen meiner Erwartung unerwartet viel Spass, wir lachen viel und treten abwechselnd in den verschiedenen Spielen gegen andere Gruppen an. Nach ein paar Stunden verabschiede ich mich nach der ersten Runde eines Trinkspiels, das mein Team mit einem Kartendeck und der gewonnen Flasche Wein nach dem offiziellen Teil des Abendprogramms beginnt. Diese Hostel-Sauf-Kultur ist einfach nichts fuer mich und ich ziehe es vor morgen fit anstatt verkatert zu sein. Immerhin stehen meine allerersten Tauchgaenge im Meer an…





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