#3 GOODBYE SCHAUSPIEL AKA ENKELKINDGEDANKEN
- carolinmichalk
- Dec 20, 2023
- 4 min read
Updated: Dec 21, 2023

Zielgerade. Staffelfinale.
Eigentlich will ich einen Liebesbrief schreiben. Ein Loblied auf den letzen Sommer in der Heimat, bevor sich alles veraendern wuerde. Doch ist das ueberhaupt gerechtfertigt? Zwischen all dem Grossartigem, das ich erleben duerfte sind auch natuerlich auch Tiefs. Das ist nichts ungewoehnliches, doch irgendwie laesst es die erdachte perfekte Seifenblase platzen. Die Realitaet ernuechtert, doch deswegen bringt sie auch Klarheit. Zwischen neuen und aufregenden Erfahrungen beschaeftigen mich auch allgegenwaertige Gedanken, die neben den grossen Aufregung manchmal in Vergessenheit geraten...
Es ist Juli 2022. Die Spielzeit im Theater in meiner ersten weiblichen Hauptrolle auf der grossen Freilichbuehne anstatt nur im kleinen Saal verfliegt rasend. Anfaengliche Nervositaet wird schnell zu Selbstvertrauen und Routine. Ich mag meine Rolle, die Tragik aber auch die Staerke, die sie ausstrahlt. Ich liebe die Kostueme, vom Hochzeitskleid in der die gespielte ueberschwaengliche Freude und Liebe fast von selbst aus mir herausfliest. In einer spaeteren Szene beginnt mein Charakter suveraen, doch als sie furchtbare Neuigkeiten erreichen, bricht sie zusammen. Manchmal schaffe ich es sogar echte Traenen in den Augen zu haben. Ich bin eins mit der Rolle, sage mir intern immer wieder, dass es mein Leben ist, das gerade in die Brueche geht. Ich schreie, schluchze, bin wuetend, fassungslos, hilflos. Es tut irgendwie gut solche Emotionen rauslassen zu koennen.
Eine Stunde und viele Kilometer auf dem Handlungsstrang spaeter bin ich mit "meiner Famile" zu Festlichkeiten geladen: Im extravaganten Ballkleid fuehle ich mich wirklich wie eine Prizessin, noch nie zuvor hatte ich mich in einem derart prunkvollen und durch den Reifrock voluminoesen Outfit befunden. Rosane Rueschen und im Scheinwerferlicht funkelnde Pailetten, dazu die Ohrringe die mit der Halskette um die Wette glitzern. Alles Modeschmuck natuerlich, doch wenn ich mich im Spiegel ansehe fuehle ich mich "like a million dollars".
Es geht weiter mit Drama, Luegen, Intrigen, Sehnsucht...Am Ende geht selbstverstaendlich alles gut aus: der Boesewicht stirbt, die Liebenden finden zusammen. Licht aus. Applaus.
Applaus - das Brot des Kuenstlers. Es tut verdammt gut, gibt Bestaetigung und Anerkennung, keine Frage. Doch was mich wirklich freut sind die bekannten Gesichter im Publikum, wenn Familie oder Freund*innen zusehen. Schon seit meiner Kindheit spiele ich im Theater, meist nur Statistenrollen um zwar voll dabei zu sein aber eben doch nicht ganz so verbindllich. Doch dieses Jahr, bei meiner dritten Hauptrolle, da war es mir irgendwie wichtig. Es hatte sich dieser Gedanke von "das ist die allerletzte Saison, in der ich hier mitspielen werde" eingebrannt. Vielleicht weil ich unterbewusst schon damit abgeschlossen hatte, jemals wieder laengerfristig in dieser Stadt zu leben. Deshalb bin ich um so geruehrter, als meinen Einladungen gefolgt wird. Endlich kann ich zeigen fuer was ich die letzten Monate geprobt hatte und was allgemein seit Jahren ein Teil von mir und eine riesen Leidenschaft ist. Viele Freunde sind positiv uebberrascht; sagen, dass sie nie gewusst haben, dass das in mir steckt. Mein groesster Fan ist mein Opa: seit dem ersten Besuch mit Oma und Bekannten, kommt er fast jedes Mal alleine auf ein Neues, wenn ich an diesem Wochenende Teil der Besetzung bin. Er ist einer der wenigen, der wirklich tiefgreifender mit mir ueber die Rolle und meine Darbietung spricht. Als ich das erste Mal hoere wie stolz beide sind, kommen mir fast die echten Traenen.
Genauso zum Weinen zumute wird mir, als mir die Grosseltern vaeterlicherseits nach Wochen des Nachfragens final mitteilen, dass sie es nicht zu einer meiner Auffuehrungen schaffen werden. Die Hindernisse seien zu gross und zahlreich, als dass mein Opa im Rollstuhl es komfortabel ins Publikum schaffen wuerde. Ich bin sehr niedergeschlagen, vorallem weil jegliche Huerde haette mit vereinten Kraeften bezwungen werden koennen. Die Befuerchtung, dass die letzte Chance den beiden mein Schauspiel auf der grossen Buehne zeigen zu koennen verstreichen koennte, tritt ein. Anfaengliche Fassungslosikgeit wird zu Enttaeuschung und dann zu Akzeptanz. Was kann ich auch anderes tun?
Aber was mir dadurch bewusst wird: Wie wichtig es mir ist, die Aeltesten in meiner Famile an meinem Leben teilhaben zu lassen. Ich will ihnen zeigen was ihr Kindeskind aus ihrem Leben macht. Fuer was ich brenne, was ich erreiche und erlebe. Ich wuensche mir, dass es sie mit Stolz erfuellt wenn sie sehen was ich tue und ich mein Leben so lebe, wie es mich erfuellt. All meine Eindruecke und Glueck will ich an sie uebertragen, ihnen berichten von meinen Abenteuern. Denn ich lebe durch sie; alle 4 waren immer da, seit Tag 1. Meine staerksten Verbuendeten, das Fundament von allem was ich kenne, gebaut waehrend der unvorstellbaren langen Spanne an Lebenszeit die alle bereits innehaben. Und ich will Teil davon sein, als letzte Ergaenzung ihres Vermaechtnis. Seit ueber 20 Jahren seht ihr mich wachsen, wart bei jedem Schritt dabei und immer bedingungslose Stuetze. Omas, Opas; es gibt keinen Weg sich angemessen bei euch zu revanchieren oder zu bedanken, zumindest habe ich ihn noch nicht gefunden. Ich will einfach nie damit aufhoeren euch zu begeistern. Damit ihr wisst, was ihr Unglaubliches erschaffen habt - indirekt durch das Gruenden der Famile, aber auch ganz direkt mit all der Liebe und Zuneigung, Unterstuetzung und dem Weitergeben von Werten ueber all die Jahre die mich zu der Person machen die ich bin. Doch auch oder gerade durch die Ozeane zwischen uns entwickle ich mich weiter, bestaendig, jeden Tag. Und diese Entwicklung will ich euch nicht vorenthalten.
Ich schaetze eure Annerkennung, aber ich will noch mehr, dass ihr wisst, dass ihr stolz auf euch sein koennt. Ihr seid Teil warum ich hier bin, warum ich mein Leben so selbstbewusst und frei leben kann. Ich bin stolz eure Enkelin sein und ich hoffe, ich kann auch euch stolz machen.
Ich vermisse euch und hab euch sehr lieb.





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